Wolfgang Thierse, SPD

Wahlkreis: Berlin-Prenzlauer Berg (249)
Datum der Teilnahme: 12.09.2000

Statement

20 Jahre ist es nun schon her, dass Hans Haacke mit seinem Projekt DER BEVÖLKERUNG einen Kontrapunkt zur Giebelinschrift des Reichstages „Dem Deutschen Volke“ gesetzt und so ein Spannungsverhältnis – künstlerisch inszeniert – sichtbar gemacht hat: Volk und Bevölkerung sind eben nicht einfach identisch. Wir leben seit 1990, seit der deutschen Wiedervereinigung, in einem Nationalstaat. Aber dieser Nationalstaat ist sozial, ethnisch und kulturell bunter und pluralistischer geworden und wird es wohl noch mehr werden. Pluralismus aber ist keine Idylle, sondern geprägt von Unterschieden, Differenzen und eben auch Konflikten. Solchem Pluralismus sich bejahend zu stellen und ihn friedlich zu leben, das ist nicht nur ein politisches Anliegen, sondern alltägliche Anstrengung und kulturelle Herausforderung: Das Eigene muss nämlich so gut gelernt werden wie das Fremde, so kann man es schon bei Friedrich Hölderlin nachlesen. Das Andere und die Anderen nicht als Fremdes und Fremde abzustoßen und auszugrenzen, sondern in der Vielfalt das Gemeinsame zu finden, das ist eine ständige politisch-kulturelle Aufgabe, damit Demokratie als Lebensform der Freiheit auch in schwierigen Zeiten gelingt. Dieser Aufgabe hat sich die Bevölkerung immer neu zu stellen, damit sie tatsächlich ein gemeinsames Staatsvolk wird. (Beitrag nbk Ausstellung 2020)

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